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Azoren
Ribeira Grande

Europäischer Tee und der Eingang zur Hölle

Lesedauer: ca. 4 Minuten

Ich wusste nicht, dass in Europa Tee angebaut wird. Wird es aber, und zwar im Norden der Azoreninsel São Miguel.

Das müssen wir uns anschauen, denken wir, und fahren zu der in unserem Reiseführer erwähnten Teefabrik, die angeblich jeden Tag für Besucher geöffnet ist. Ist sie eigentlich auch, stellen wir vor Ort fest, nur heute nicht: Wegen eines religiösen Feiertags ist heute geschlossen, steht auf einem Zettel, zumindest wenn wir die in portugiesisch verfasste Notiz richtig verstanden haben.

Wir gehen zu Fuß los, irgendwo in der Nähe müssen ja die Teeplantagen sein. Wir finden sie nach einiger Zeit auch, und zudem können wir von oben auf das Dorf hinunterblicken, wo gerade eine Prozession stattfindet. Das mit dem religiösen Feiertag scheint also tatsächlich so zu sein.

Chá Gorreana

Ein paar Kilometer weiter stoßen wir auf eine weitere Teefabrik. Deren zugeordnetes Dorf hat heute offensichtlich keinen Feiertag, zumindest ist hier geöffnet.

Die Plantagen und die komplette Fabrik sind für Besucher frei zugänglich, und das nutzen wir natürlich aus.

In einem der Fabrikräume liegen riesige Säcke gefüllt mit Tee herum, und einer davon ist nicht richtig verschlossen. Daher kommt also der intensive Pfefferminz-Geruch, der hier in der Luft hängt. Wir stecken unsere Nasen in diesen Sack. Wahnsinn. Am liebsten würden wir eine großzügige Menge von diesem Tee einfach aus dem Sack nehmen und einpacken, auffallen würde es vermutlich nicht, es sei denn, jemand riecht an uns. Aber natürlich machen wir das nicht, sondern kaufen anschließend in dem angegliederten Shop ganz ordnungsgemäß ein paar Packungen. Damit wir zu Hause europäischen Tee probieren können.

Später lese ich im Internet, dass der Tee hier nicht der einzige europäische Tee ist, sogar bei uns um die Ecke, in der Nähe von Freiburg, wird Tee angebaut. Zumindest wird es dort versucht, denn bisher scheint man dabei nicht so wirklich erfolgreich zu sein und ist kurz vor dem Aufgeben.

Hier auf São Miguel jedenfalls gedeiht der Tee prächtig, und so machen wir noch einen kurzen Spaziergang durch die Teeplantagen.

Kessel

Vor lauter Tee haben wir nun Lust auf einen Kaffee, also suche ich auf der Karte in meinem Handy, ob es in der Nähe ein Restaurant oder ein Café gibt. Ich finde eines bei nahegelegenen Caldeiras. Laut Wörterbuch bedeutet das „Kessel“, auf dieser Insel jedoch bedeutet das, dass dort die Erde brodelt und dampft, also Kessel ganz besonderer Art. Vulkanische Kessel sozusagen.

Zwar haben wir schon einige dieser sogenannten Kessel gesehen, aber natürlich sind wir trotzdem neugierig und fahren hin.

Wir kommen in einer völlig verlassenen Gegend an. Ein paar leerstehende Häuser gibt es hier. Und das in meiner Karte angekündigte Restaurant, das tatsächlich noch zu existieren scheint, aber dennoch geschlossen ist.

Vor diesem Ensemble an heruntergekommenen Häusern befindet sich eine Art Swimmingpool, in dem man aber besser nicht nicht baden sollte, denn kochend heißes, dampfendes Wasser fließt hier hinein. Es riecht heftig nach Schwefel.

Ein Stück weiter oben gibt es eine mit Steinen ummauerte Öffnung in der Erde. Auf den ersten Blick sieht es so aus, wie wenn hier ein Bachlauf in einen unterirdischen Kanal fließen würde. Aber so ist es nicht, denn aus der Öffnung dampft es heraus und darunter blubbert und brodelt es.

Verlassene Häuser, keine Menschen außer uns, ein Zugang zur Hölle, das hier ist ein wirklich seltsamer Ort.

Region:Azoren
Ort:Ribeira Grande
Reisedatum:10.09.2018
Autor:Manuel Sterk
Veröffentlicht:22.09.2018
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