Der Priester schwankt als Erster durch das Tor hinaus, einige Zeit danach der Koch und ein paar Karaffen Wein später dann auch der Carabiniere, der allerdings noch rund zehn Kilometer Autofahrt vor sich hat.
Ausgebucht
Wir sind offensichtlich in ein ziemlich trinkfreudiges Dorf geraten. Das ist uns spätestens seit dem Zeitpunkt klar, als wir die Unterkunft wechseln müssen.
Uns fällt irgendwie kein Grund ein, das Dorf schon zu verlassen, allerdings ist unsere Unterkunft ab morgen ausgebucht. Aber um die Ecke gäbe es noch eine Unterkunft mit einem freien Zimmer, teilt man uns mit. Ob wir uns das ansehen können? Kein Problem, aber zunächst sollen wir uns doch hinsetzen und ein Bier mittrinken. Dass wir kein Italiensch sprechen und somit nicht allzuviel zu der Unterhaltung beitragen können, das scheint niemanden zu stören.
Ein paar Bier später ist es soweit. Die gesamte Gruppe begleitet uns zu der anderen Unterkunft. Ein wirklich beeindruckendes Gebäude ist das, über vierhundert Jahre alt, mit meterdicken Wänden, wunderschön hergerichtet.
Dort sind bereits zahlreiche Leute versammelt und trinken Wein. Und natürlich dauert es nicht lange, bis wir ebenfalls ein Glas in die Hand gedrückt bekommen. Mit Salvatore, dem Besitzer der Unterkunft, klären wir die Sache mit dem Zimmer, zumindest soweit sich etwas klären lässt, wenn eine gemeinsame Sprache fehlt. Und dann werden erstmal unsere Gläser wieder aufgefüllt.
Galtellì
Am nächsten Morgen ziehen wir in unsere neue Unterkunft um. Wir bekommen ein wirklich schönes, helles Zimmer mit einem Balkon, vor dem sich zwei Kirchen befinden. Das mit den zwei Kirchen ist in Galtellì vermutlich nichts Außergewöhnliches, denn hier scheint es mehr Kirchen als Einwohner zu geben. Die älteste Kirche stammt aus dem zwölften Jahrhundert, und dann wurde offenbar jedes Jahrhundert eine dazu gebaut, zumindest könnte man diesen Eindruck gewinnen, wenn man durch die Gassen spaziert und dabei die Hinweisschilder studiert.
Zusätzlich zu den Kirchen gibt es in Galtellì einen Friedhof und ein in beeindruckender Weise auf einen Felsen gebautes kleines Schloss.
Aber ansonsten gibt es hier so ziemlich nichts. Trotzdem, uns gefällt es hier. Vermutlich genau deshalb. Wenn wir in eine der beiden nahegelegenen Kleinstädte fahren, erscheint uns dort alles viel zu stressig und wir wollen schnellstmöglich zurück nach Galtellì. Das kann ja lustig werden, wenn wir nächste Woche wieder daheim in Stuttgart sind.
Der Zufallsstrand
Wir fahren zu dem erstbesten Strand, den ich auf der Karte eingezeichnet finde. Und sind völlig überrascht.
Das Meer dort ist glasklar und hat eine derart intensive Farbe, dass es schon fast unnatürlich wirkt. Der Strand ist kilometerlang. Und beinahe menschenleer. Direkt dahinter befindet sich ein Pinienwald, der nicht nur wunderschön anzusehen ist, sondern auch perfekt Schatten bietet.
Hinter dem Pinnenwald fließt ein Fluss vorbei, und wenn man über diesen Fluss blickt, dann schaut man auf dichtes Grün. Hier ist es so grün, man könnte fast meinen, man wäre in den Tropen. Ich hätte mir Sardinien jedenfalls deutlich trockener vorgestellt.
Aber es ist nicht nur traumhaft schön hier, sondern es gibt auch eine Strandbar mit kühlem Bier und gegrilltem Fisch. Besser geht es wirklich nicht.
Der Carabiniere
Um Galtellì herum gibt es also alles, was man im Urlaub braucht. Berge, Meer, alles ist da. Warum also sollten wir Galtellì verlassen?
Also fragen wir Salvatore, ob wir das Zimmer noch ein paar Tage behalten könnten. Ja, kein Problem, antwortet er, und wenn wir schon einmal da sind, könnten wir ja gleich ein Gläschen Wein mittrinken.
So harmlos beginnt der eingangs erwähnte Abend.
In der Küche sitzen bereits ein paar Leute, darunter der Priester und ein Carabiniere. Letzterer spricht Englisch, was die Kommunikation ungemein erleichtert. Obwohl, für Italiener wären Hände und Füße wichtiger als eine Sprache, erklärt er uns, und wenn man diese abschneiden oder festbinden würde, könnten Italiener nicht mehr reden.
Plötzlich geht der Wein aus. Kurzentschlossen steigt Salvatore ins Auto, um neuen zu besorgen. Und das, obwohl er am Leeren der vorhandenen Vorräte keinen unbeträchtlichen Anteil hatte. Ob der Carabiniere etwas dagegen einzuwenden hat?
Ähm, nein. Ein paar Stunden und ein paar Karaffen Rotwein später steigt auch er ins Auto. Er wohnt mit seiner Familie in der nächsten Stadt, und da muss er jetzt noch hinfahren.
Aber eigentlich sollte uns das alles gar nicht wundern, wenn man berücksichtigt, warum wir eigentlich hier in Galtellì und nicht woanders sind. Aber diese Geschichte, die sich vor einigen Monaten in Stuttgart abgespielt hat, würde hier zu weit führen...
Easygoing
In der Nähe von Galtellì befindet sich die Gola su Gorropu, eine der tiefsten Schluchten Europas, sozusagen der Gran Canyon Sardiniens.
Wie bereits erwähnt, um Galtellì herum gibt es alles.
Jedenfalls wollten wir am nächsten Morgen in diese Schlucht hinein wandern. Aber aufgrund der Weinmengen des Abends davor ist daran nicht zu denken.
Also blättere ich im Reiseführer und finde die Beschreibung eines Wanderwegs, über den geschrieben steht, „most of the path is easygoing“. Das klingt perfekt für heute, also gehen wir los.
Aber offensichtlich scheint der Autor des Reiseführers ansonsten senkrechte Wände hinaufzuklettern, wenn er diesen Weg als „easygoing“ bezeichnet: knapp vierhundert Höhenmeter geht es mitunter recht steil über Felsen hinauf. Eine sehr effektive Möglichkeit, seinen Kater zu bekämpfen, muss ich feststellen.
Aber tatsächlich, streckenweise ist es wirklich „easygoing“, auf einem wunderschönen Weg durch einen Märchenwald geht es zum nächsten Aufstieg.
Dazu immer wieder fantastische Ausblicke.
Und dann kommen wir am Ziel an, der archäologischen Stätte Tiscali: Eine Art Höhle, riesig, nach oben offen. Darin befinden sich Ruinen, die bis in das sechste Jahrhundert vor Christus zurück datiert wurden. Über die Hintergründe dieser Siedlung gibt es die abenteuerlichsten Legenden und sich widersprechende wissenschaftliche Erklärungen.
Und dann treten wir den Rückweg an. Noch während des Abstiegs sichern wir uns gegenseitig zu, heute einen großen Abstand zu jeder Weinkaraffe zu halten.
Nach fünf Stunden Wanderung sind wir wieder unten am Fluss. Easygoing.
Land: | Italien |
Ort: | Galtellì (Sardinien) |
Reisedatum: | 07.09.2019 - 10.09.2019 |
Autor: | Manuel Sterk |
Veröffentlicht: | 11.09.2019 |
Leser bisher: | 253 |
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